Michajlovskoe

Alexander Sergejewitsch Puschkin ist am 6. Juni 1799 in Moskau geboren. Sein Vater war Gardeoffizier und entstammte einem alten Adelsgeschlecht. Puschkin war aufgrund seiner wohlhabenden Familie sehr privilegiert aufgewachsen und besuchte eine Eliteschule, das Lizeum Zarskoje Selo. Schon während dieser Zeit entdeckte er seine Leidenschaft für das Schreiben von Gedichten. Als er die Schule erfolgreich abgeschlossen hatte, arbeitete er in St. Petersburg als Beamter und wurde in die dortige literarische Gesellschaft eingeführt. Dort lernte er auch Mitglieder der Dekabristen-Bewegung kennen.   

Die Dekabristen kamen aus der gebildeten, wohlhabenden Gesellschaftsschicht. Sie forderten die Aufhebung der Alleinherrschaft des Zaren sowie Freiheit und Gleichheit jedes Einzelnen. Diese Forderungen stützten sich auf die Ideen der Französischen Revolution, welche sich einige Jahre früher ereignet hatte. Als diese Ideen bis nach Russland gelangten, bildeten sich Gruppierungen, welche schlussendlich einen Putschversuch veranstalteten. Dieser Aufstand fand am 14. 12. 1825 statt. Er ist aber gescheitert und die Teilnehmer dieser Bewegung wurden entweder hingerichtet oder ins Straflager verbannt. Da Puschkin mit einigen der Verschwörer befreundet war, geriet er auch unter Verdacht, Mitverschwörer zu sein. Der Zar begnadigte ihn zwar, jedoch wurde Puschkin von da an vom Staat überwacht. Nachdem er ein Spottgedicht gegen einen einflussreichen Beamten veröffentlicht hatte, musste er 1820 in den Süden Russlands nach Odessa und auf die Krim gehen. Beinahe wurde Puschkin nach Sibirien verbannt, sollte dann aber lediglich St. Petersburg verlassen. Im Süden begann Puschkin eines seiner berühmtesten Werke, den Versroman Eugen Onjegin, zu schreiben, welchen er erst 1830 abschliessen sollte. 1824 äusserte er sich in einem Brief positiv über den Atheismus. Aus diesem Grund wurde er aus dem Staatsdienst entlassen und entkam wieder nur durch seine einflussreichen Freunde der Verbannung ins Straflager.

Er musste sich auf das elterliche Gut Michailovskoje in die Nähe von Pskov zurückziehen. Zunächst lebte er dort mit seinen Eltern, doch die ständigen Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn führten dazu, dass die Eltern das Landgut verliessen. Puschkin wurde so mit seiner alten Amme dem Schicksal überlassen. Die Einsamkeit, welche gelegentlich durch die Gesellschaft der benachbarten Gutsbesitzer unterbrochen wurde, verleitete ihn zum Schreiben. Während der zwei Jahre auf dem Landgut Michailovskoje verfasste er die Tragödie Boris Godunov, arbeitete an einem Gedichtband und betrieb einen regen Briefwechsel mit seinen Freunden, den Dekabristen, in St. Petersburg. Auch während des Dekabristen-Aufstandes befand sich Puschkin auf dem Landgut, was ihn schlussendlich vor der Bestrafung, welche auf die Verschwörer zukam, schützte. Der Aufenthalt auf dem Michailovskoje bewahrte ihn aber nicht vor einem frühen Tod. Puschkin starb nämlich einige Jahre später am 29. Januar 1837 aufgrund eines Duells in St. Petersburg. Sein Grab befindet sich aber auf dem Landsitz Michailovskoje.    

In Puschkins Werken lässt sich der Übergang von Romantik in Realismus, welcher zu dieser Zeit stattgefunden hat, gut erkennen. Puschkin selbst gilt als einer der Erschaffer des russischen Realismus und so auch der Prosa. Beim Realismus geht es darum, die Welt objektiv aber auch künstlerisch wiederzugeben. Es wird eine nüchterne Betrachtung der Gegenwart gezeigt. Besonders in den Werken, welche Puschkin ab dem Buch Eugen Onjegin geschrieben hat, kann man den für ihn typischen, erzählerischen Schreibstil erkennen, in welchem er tragische mit romantischen und sarkastischen Elementen vermischt.

Nach dem Einmarsch Frankreichs in Russland fragten sich die Leute aus der Oberschicht, welche bis dahin untereinander französisch sprachen, wieso sie eigentlich die Sprache des Feindes benutzen, und sie fingen an, sich auf Russisch miteinander zu unterhalten. Dieser Wandel fand auch in der Literatur statt. Da Puschkin zu jener Generation Adliger gehörte, änderte er nicht nur die Sprache in Gesprächen, sondern auch in seiner Dichtung. Er wurde so zum Ersten einer neuen Generation von Dichtern. Über Puschkins Werke wird gesagt, dass sie nicht nur inhaltlich herausragend sind, sondern auch besonders wortmalerisch seien. Die russische Sprache verleiht seinen Texten eine unverkennbare Harmonie.

 

Boris Godunow

 

Eines der Werke, welche Puschkin auf dem Landsitz Michailovskoje geschrieben hatte, war Boris Godunow. Seine Geschichte ist eine Anlehnung an die Sage der historischen Figur Boris Godunow. Am Beginn der Geschichte steht Iwan der Schreckliche, welcher einen schwachsinnigen Sohn Fjodor hatte. Als Iwan 1584 starb, wurde Fjodor Zar, die Regierung des Staates übernahm aber ein Schwager von Iwan dem Schrecklichen: Boris Godunow. Als Zar Fjodor 1588 schliesslich ebenfalls verstarb, brachte Godunow durch geschickte politische Taktik Volk und Adel hinter sich und wurde selbst zum Zaren gekrönt. In Puschkins Erzählung geht es nicht um Godunow selbst, sondern mehr um das russische Volk. Dabei liess der Dichter das autoritätskritische Denken, welches zu Puschkins Zeit ein grosses Thema war, in seine Texte einfliessen. Auch seine Erfahrungen auf dem Land halfen ihm dabei, die Bevölkerung authentisch wiederzugeben.