Russisch orthodoxe Ostern

In Russland wird Ostern traditionell am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert. Dieser allerdings fällt in Russland dreizehn Tage später an. Die russisch-orthodoxe Kirche hält sich nämlich an den alten julianischen Kalender, während die westlichen Kirchen den gregorianischen Kalender aus dem 16. Jahrhundert nutzen. In Russland wird Ostern also frühestens am 4. April und spätestens am 8. Mai gefeiert.

Ostern ist in Russland das grösste und schönste Ereignis im Jahr. Die Pracht der Feierlichkeiten ist noch grösser als an Weihnachten. Es werden Eier gefärbt und das traditionelle Osterbrot (Russisch: кулич) und ein ein Quarkkuchen (Russisch: пасха) werden gebacken.

Auf Russisch bezeichnet man Ostern bzw. das Osterfest als „hell“: светлая (f) bzw. светлый (m). Es entspricht dem deutschen „froh“. Möglichkeiten frohe Ostern zu wünschen sind:

С праздником Светлой Пасхи! = wörtlich: (alles Gute) zum Fest des hellen Ostern

Со светлым праздником Пасхи! = wörtlich: (alles Gute) zum hellen Fest des Ostern

Со светлой Пасхой! = wörtlich: (alles Gute) zum hellen Ostern

С Пасхой! = wörtlich: (alles Gute) zu Ostern

 

Zeit vor Ostern

 

Im Gottesdienst beginnt etwa zweieinhalb Monate vor Ostern das Thema der Busse zu dominieren.  Die Verbesserung des eigenen Herzens im Einklang mit den christlichen Geboten wird mit jeder Woche wichtiger. Ebenfalls beginnt vor Ostern die große Fastenzeit. Aus der Ernährung verschwinden dabei Fleisch, Eier, Milch, und Fisch. Es ist üblich beim Eintritt in Fastenzeit, bei den Mitmenschen um Vergebung zu bitten aber auch selber zu vergeben. Die ungeheuchelte Nächstenliebe ist eines der Hauptmotive der Osterzeit. Am folgenden Tag verschwindet der Gesang aus dem Gottesdienst. Die Kirche wird mit schwarzem Samt geschmückt und auch die Geistlichen tragen nur noch schwarz und grau. In der Karwoche setzt in den Haushalten Betriebsamkeit ein. Am Montag ist traditionellerweise der Frühjahrsputz. Am Donnerstag werden Eier gefärbt und Osterbrote gebacken. Dabei ist nicht einmal das Abschmecken der Speisen ist erlaubt. Der Freitag ist auch in der russisch-orthodoxen Kirche der strengste Tag der Karwoche. Gläubige sollten den Tag in Trauer verbringen und wenn möglich nicht arbeiten. Am Samstag findet die Weihung der Esswaren in der Kirche statt. Denn in der Osternacht wird das Speiseverbot aufgehoben. Am Ostersonntag gibt es bei vielen Familien ein Frühstück an reich gedeckter Tafel. An Ostern ist es ausserdem üblich, den Verstorbenen auf den Friedhöfen einen Besuch abzustatten sie an den Feierlichkeiten teilhaben zu lassen. Natürlich darf der Wodka da nicht fehlen... Der Gang auf den Friedhof ist ein Überbleibsel aus der Sowjetzeit. Weil es damals verpönt oder gar verboten war, in die Kirche zu gehen, besuchten die Gläubigen die Gräber ihrer Nächsten und begingen dort das Osterfest.    

 

Feier

 

Die Feierlichkeiten beginnen schon am Samstagabend. Festlich gekleidete Menschen versammeln sich in den noch dunklen Kirchen, die die Welt ohne Licht des Glaubens symbolisieren. Früher glaubte man, dass die Teufelskreaturen in dieser Nacht besonders böse wurden. Die Kirche war daher ein Zufluchtsort. Die wichtigste Ostermesse findet in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau statt. In anderen Kathedralen folgen die Gottesdienste demselben Muster. Am Anfang des Gottesdienstes ist der Moskauer Patriarch ganz in weisse Gewänder gehüllt, die das Ende der Trauer und härtesten Fastenzeit symbolisieren. Nach Mitternacht kleidet sich der Patriarch in ein festlich rotes mit Gold besticktes Gewand und hält die feierliche Ostermesse. Rot symbolisiert das Leben und die Auferstehung. Auch der russische Präsident und andere hochrangige Politiker besuchen diesen Ostergottesdienst. Aus der Grabkammer Jesu in Jerusalem wird das heilige Feuer nach Moskau gebracht. Der Patriarch gibt die Flamme der Auferstehung an die Gläubigen weiter. Dann verkündet er die Nachricht über die Auferstehung Christi mit den Worten: „Христос Воскресе! – Воистину Воскресе Христос!“ (Russisch für „Christus ist auferstanden! – Christus ist wahrhaft auferstanden!“). Um Mitternacht verkündet Glockenläuten die Auferstehung Christi. Es folgt eine feierliche Prozession, auch um die Kirche herum. Die Kathedrale füllt sich mit Licht und Freudegesang. Ein Chor ersetzt in Russland die Orgel, was eine besondere Stimmung schafft. Nach dem Rundgang wird die Zeremonie in der Kathedrale bis zum Morgengrauen weitergeführt. Da es in russisch-orthodoxen Kirchen keine Bänke gibt, ist es eine ganz schöne Anstrengung der ganzen Zeremonie beizuwohnen. Der Gottesdienst endet früh am Morgen mit einem Gang zum Kreuz. Vielstimmig schlagen die Glocken und die Priester fordern die Gemeinschaft auf sich zu umarmen und zu küssen und sich gegenseitig zu verzeihen. Dieser Osterbrauch heisst „Христование“. Die Menschen folgen dem Aufruf und überall hört man den Ostergruss.

Nun werden wieder Eheschließungen gesegnet, in die tägliche Ernährung der Gläubigen kehren Fleisch und andere Lebensmittel wieder zurück, die man sich in der Fastenzeit versagt hatte.